05-05 Haria

Freitag, 5. Mai 2017, Entlang der Steilküste des Risco de Famara nach Haria

Vom Hotel «Los Jameos Playa» in Puerto del Carmen kürzere Fahrt Richtung Norden. Wanderung über den Bergsattel entlang der Steilküste des Risco de Famara-Gebirges mit seiner höchsten Erhebung, dem Schlackenkegel «Monte Corona» durch das Tal der tausend Palmen nach Haria. Auf der schattigen Plaza Leon y Castillo geniessen wir unser Picknick, Spaziergang durch Haria zum Haus des zuletzt von César Manrique bewohnten Hauses. Fahrt zur 1966 von César Manrique erbauten Kunst- und Kulturstätte «Jameos del Agua».

Auf der Fahrt im Bus gibt uns Marion einige Angaben zu Lanzarote, denn wir waren erst am Vortag von Gran Canaria kommend auf der nödlichsten der sieben grossen Kanarischen Inseln im Atlantischen Ozean auf dem Flughafen von Arrecife angekommen. Lanzarote liegt rund 140 km westlich der marokkanischen Küste und rund 1000 km vom spanischen Festland entfernt. Die Fläche beträgt 846 km2, hat ca.150’000 Einwohner (2012), 45% leben in der Hauptstadt Arrecife.

Bei unserer Abfahrt um 9.15 h ist es bedeckt und Marion meint, es könnte beim ca. 600 m hohen Corona noch etwas «ChipiChipi» (Nieselregen) hängen bleiben. Der Monte Corona oder auch einfach La Corona (die Krone) genannt, ist ein nahezu kreisrunder Vulkankegel. Seine stumpfe Kegelform ist weithin sichtbar und ein Wahrzeichen des Inselnordens sowie der nördlichsten Gemeinde Lanzarotes, Haria.

Am Ausgangspunkt der Wanderung setzt uns unser Bus in einer ziemlich kontrast- und farblosen Mondlandschaft ab. Das Gelände ist durch verschiedene Vulkanausbrüche seit dem 18. Jh. nicht mehr bewaldet, doch bei genauerem Hinsehen entdeckt man an den Hängen des Famara-Massivs Euphorbien (Wolfsmilchgewächse) und verschiedene Sukkulenten, wie der Lanzarote Endemit Aeonium (griech. ainios-ewig) mit seinen fleischigen Blättern und zahlreichen rosafarbenen Blüten, das Aichryson, reich verzweigte kleine Sträucher mit rundlichen Blättern, die etwas Farbe schenken. In diesen Zonen wachsen eben sukkulente Pflanzen, die Wasser in ihrem Gewebe speichern und so längere Trockenperioden gut überstehen können. Auch gelb blühendes Stachelgewebe, wie immer das auch botanisch heisst, gibt es an trockenen Stellen.

Unser Weg führt uns durch das Biosphärenreservat im Risco de Famara-Gebirge zunächst entlang dem steil abfallenden Kraterrand mit völlig kahlen Hängen. Der Monte Corona gehört zur jüngeren Epoche vulkanischer Aktivität auf Lanzarote. Er hatte seine aktive Phase vor etwa 3000 bis 5000 Jahren. Seine Eruptionen veränderten die Topographie in der Umgebung erheblich.

Der wesentliche Teil seiner Lavamassen floss nach Osten Richtung Meer ab und bildete das 30 km2 grosse, unwegsame LavafeldMalpais de la Corona (schlechtes Land). Die an ihrer Oberfläche zuerst erstarrende Lava formte in ihrem Innern einen 6,9 km langen Tunnel, der weitere 1,4 km unter dem Meeresboden in den Atlantik reicht, wo er blind endet und somit zu den längsten Lavatunneln der Erde zählt. An einigen Stellen, den sogenannten Jameos (Sprache der Guanchen) ist die Decke des Tunnels eingebrochen und bildet ein Höhlensystem. Der lanzarotische Architekt und Künstler César Manrique entwarf in der am nächsten zum Meer gelegenen Jameos die berühmte Jameos del Agua, die wir später besichtigen werden.

Im Anstieg auf den Bergsattel des Risco de Famara-Gebirges erblicken wir im Valle de Guinate an der Talsohle eine reizende weisse Hacienda mit präparierten Feldern mit Grünzeug eingebettet in schwarze Lava. Am Gegenhang ist das steil ansteigende Gelände zwar terrassiert aber wegen der Trockenheit wohl nicht mehr bewirtschaftet. Unterwegs tauchen immer wieder mit Steinen befestigte Brunnenlöcher auf, die Fuentes de Gayo, die die Bauernfamilien von Haria, Guinate und Maguez mit Trinkwasser versorgten bis die Meereswasseraufbereitung aufkam. Früher waren diese Brunnen Treffpunkt von Mensch und Tier. Im Gegensatz zur Einsamkeit von heute herrschte hier ein reger Verkehr. Leider bekommen wir den Schmutzgeier, der in diesen Gefilden leben soll sowie den Wiedehopf nicht zu Gesicht. Dafür treffen sich das Himmelsblau mit ein paar verspielten Wolkentuffs mit dem intensiven Blaugrün der Meeresbuchten und den sich am Strand brechenden Wellen und den im Wasser spielenden Schaumkronen. Die hellen Strände reflektieren im Sonnenlicht umso stärker als die schroffen Bergkanten in ockergelb, beige und basaltfarbenem Schwarz erstrahlen.

Schweift der Blick weiter erlaubt uns die ca. 200 m steil abfallende Küste den zauberhaften Ausblick auf das Chinijo-Archipel. Das ist eine Gruppe kleiner Inseln, die sich nördlich von Lanzarote befinden. Chinijo bedeutet in der Sprache der Einheimischen «klein». Zuerst sieht man La Graciosa, die grösste, wo einige von uns den letzten Ferientag verbringen werden und Alegranza gleich dahinter. Dann kommen die kleinen Inseln Roque del Oeste und Roque del Este. Graciosa ist die einzige der kleinen Inseln, die im Moment bewohnt ist. Am Südwestende der Atlantikküste befindet sich Montana Amarilla, der spektakuläre in ockergelb leuchtende Vulkan, ein Beispiel des Hydrovulkanismus, dessen Wechselwirkung mit Meerwasser und Magma, das bei Küstenausbrüchen an die Oberfläche kommt, ganz spezielle Formen und Farbtöne hervorbringt. Genau bei diesem Felsen an diesem herrlichen Strand sollten wir zum Ausklang unserer Reise in die kühlenden Fluten steigen.

Die Fortsetzung der Wanderung an der Steilküste ist unseren Wanderleitern Marion und Jörg wohl etwas zu atemberaubend, so dass wir eine kleine Schlaufe wieder zurückgehen und den Weg Richtung Haria mehr durchs «Landesinnere» einschlagen. Auf dieser Strecke erschliesst sich wieder eine ganz andere Vegetation, z.B. der gelbe seidenhaarige Goldstern, das ganz am Boden rankende rot leuchtende Mesembryantheumcrystallinum (Eiskraut), Balsamwolfsmilch (Euphorbia balsamifera), Kakteenarten, die bei Trockenheit Blätter abwerfen können, aber auch Beete mit Nutzpflanzen wie Süsskartoffeln, Kartoffeln, Kürbis, Mais oder Reben sind anzutreffen. Im subtropischen Klima wächst auch die rote oder gelbe Aloe vera. Das grüne Gel sei übrigens giftig, sagt Marion, aber wenn das Blatt ausgeblutet ist, wird es verwendet bei Verbrennungen, Sonnenbrand oder z.B. zusammen mit Kokosöl als Hautbalsam. Aus den auf den Feigenkakteen (Opuntien) lebenden Cochinellenschildläusen wurde der rote Farbstoff Karmin hergestellt. Auf den Kanaren wurde bis ins zwanzigste Jh. in kleinem Umfang Cochinelle geerntet. Ein kg Cochinelle ergibt ca. 50 g Karmin.

Je näher wir Haria kommen tauchen Ananasanbau, Mandelbäume, weisse Lilien, Bougainvilleas, Mangobäume und weisse Häuser auf. Am Wegesrand trennt ein betagtes Bauernpaar die Spreu von den Linsen, der Mann wirft mit der Gabel das Gut in die Luft und die Frau siebt den Rest aus. Warum sich Haria als im Tal der Palmen liegend bezeichnet wird uns jetzt klar. Die Sage erzählt, dass immer, wenn in Haria ein Mädchen geboren wurde, eine neue Palme wuchs.Mittelpunkt des Ortes ist die langgestreckte, schattige Plaza Leon y Castillo mit ihren Lorbeer- und Eukalyptusbäumen. Auf diesem Platz im Schatten lassen sich die meisten zum Picknicken nieder.

Auf dem Friedhof von Haria, den wir nicht aufsuchen, liegt das Grab des Künstlers und Naturschützers der Insel, César Manrique, der 1988 dort in ein von ihm wieder aufgebautes Bauernhaus zog. Er kam am 25. September 1992 im Alter von 73 Jahren durch einen Autounfall ums Leben.Nach der Rast gehen wir zu diesem am Dorfrand liegenden Haus-Museum von César Manrique inmitten eines grossartigen Palmenhofs mit üppiger Vegetation. An einigen Stellen erkennt man die Grundmauern des originären Bauernhauses auf welches Manrique sein Haus gebaut hat. Durchschreitet man die lavagepflasterten Innenhöfe, gelangt man in eine überraschende Welt persönlicher Besitztümer, Fundstücke und handgefertigter Teile, denen Manrique eine ästhetische Funktion zuwies. Wir wagen einen Blick in Küche, Esszimmer, Schlafzimmer, Bäder, Bibliothek und sind fasziniert von der Konstruktion der alten hölzernen Decken.

Auch die Werkstatt, wo der Künstler malte umgeben von unfertigen Gemälden, Pigmenten, Farben, Tischen mit Zeichnungen und sonstigen Utensilien sind zu besichtigen, alles in einer friedlichen natürlichen Umgebung. Die Aussenanlagen mit Swimmingpool, gemütlichen Sitzplätzen und herrlichen Pflanzen laden zum Verweilen ein.

Doch die Zeit ist knapp. Es ist heute noch einiges vorgesehen. Wir verlassen den Hof, in dem das vom Künstler bunt bemalte Unfallauto vor der Mauer zum Casa/Museo Manrique ausgestellt ist und gehen zum Bus, der uns zur nächsten Sehenswürdigkeit, der 1966 eröffneten Kunst- und Kulturstätte «Jameos del Agua» bringt.Jameos stammt aus dem Wortschatz der Guanchen und bedeutet so viel wie Hohlraum/Einbruch. Der Kern dieses Höhlensystems befindet sich, wie die Höhle Cueva de los Verdes, im Inneren des Vulkantunnels, der durch die Ausbrüche des Vulkans «La Corona» und die durch die vor 3000 bis 5000 Jahren begonnene Verfestigung der Lavamassen entstand. Die Inselregierung beschloss den unteren Teil der Höhle, deren Decke teilweise eingestürzt war, vom Architekten, Künstler und Naturschützer César Manrique in ein Zentrum für Kunst und Kultur umgestalten zu lassen. Der Eingang erfolgt über eine geschwungene, steile Treppe bis zur Grotte, in der man von der Terrasse auf den unterirdischen See blicken kann, in dem der AlbinokrebsMunidopsispolymorpha lebt, der sonst nur in ozeanischen Tiefen von ca. 2000 m vorkommt. Der Wasserspiegel des Sees steigt und sinkt mit den Gezeiten, da die Grotte, obwohl sie keine direkte Verbindung zum Meer hat, durch Meerwasser, das durch das Gestein sickert, gespeist wird. Dieser Innensee stellt ein einzigartiges geologisches, also durch Versickerung entstandenes Gebilde dar, das sich unter dem Meeresspiegel befindet. In diesem Raum ist die Struktur in Form eines vulkanischen Gewölbekanals erhalten geblieben. Der kathedrale Charakter wird durch die Lücke im oberen Gewölbeteil verstärkt, von wo Lichtstrahlen eindringen, die sich in der Tiefe des klaren Wassers verlieren.

Vom See aus führt eine bepflanzte Steintreppenanlage hinauf zum weissen Schwimmbecken, das eigens für diesen Raum von César Manrique entworfen wurde. Seltene, teils endemische Pflanzen wachsen rund um das durch einen kleinen Wasserfall gespeiste Becken. Beeindruckend ist die über hundert Jahre alte Palme, die sich über den weissen geschlängelten Pool mit aquamarinfarbenem Wasser beugt und ihm einen gedämpften Schatten spendet. Das schrille Emailleweiss bildet einen Kontrast zu dem dunklen, zerfurchten Felsbrocken. Es dominieren runde, serpentinenartige Formen, was einen organischen Charakter entstehen lässt. Eine Steintreppe führt zum Haus der Vulkane, in dem die Vulkantätigkeit auf Lanzarote erklärt wird. Von einem überdachten Restaurant hat man einen Blick in die Grotte, auf den Pool und über die weite Lavalandschaft ausserhalb Jameos del Agua bis auf die weissen Strände von Fuerteventura in der Ferne.

Hinter dem weissen Becken liegt das Kernstück, ein in die Grotte integrierter Konzertsaal mit etwa 600 Sitzplätzen. Es lohnt sich, einen Moment still zu sitzen, um die starken Elemente auf die Seele wirken zu lassen.

Für mich müssen wir diesen Wohlfühlort viel zu schnell verlassen. Es reicht gerade noch für einen frisch gepressten Orangensaft an der Bar und schon besteigen wir den Bus, der uns kurz vor 19 h wieder im Hotel ablädt, so dass wir uns eilig zum Abendessen frisch machen.

Es war ein sehr beeindruckender, äusserst anregender und erlebnisreicher Wandertag mit vielen von Natur und Menschenhand im Einklang geschaffenen Höhepunkten, den ich wie einen Schatz bewahren werde. Möglich macht dies unsere harmonische, tolerante Gruppe und unser Chef des Ganzen, Adrian, dem ich hiermit nochmals herzlich danke.

Brigitte D.

Hiking in Switzerland and around the world