Freitag, 22. Mai, von Lochinver nach Kinlochbervie
Die ganze Nacht hatte es geregnet und gestürmt, und der frühe Morgen sah auch noch nicht besonders verheissungsvoll aus. Für heute waren uns zwei Möglichkeiten offeriert worden: die Besteigung des Quinag, eines einsamen Gipfels (oder evtl. statt Besteigung des Gipfels vom gleichen Startort aus eine kürzere Wanderung zum Wasserfall Eas a’Cual) mit anschliessendem Bustransfer nach Kinlochbervie, oder als Alternative dazu eine rund dreistündige Bootsfahrt nach Kylesku am Ende der Eddrachillis Bay, wo uns der Bus gemeinsam mit der anderen Gruppe für die restliche Strecke nach Kinlochbervie aufnehmen würde. Diese Bootsfahrt hatte uns unser Buschauffeur offeriert: ein Kapitänskollege von ihm müsse sein Schiff von Lochinver nach Kylesku für die Sommersaison überführen, und er würde ausser einem erwarteten Trinkgeld für diese Überführungsfahrt nichts für die Fahrt verlangen. Allerdings hatte dieser Kapitän am Morgen Adrian leider mitgeteilt, dass wegen Wind und Wellengang die Möglichkeit der Durchführung dieser Fahrt am Nachmittag momentan von ihm nur zu 50% eingeschätzt würde. Nun, alle hatten noch etwas Zeit, da wegen dem immer noch stark bewölkten Himmel der Aufbruch zur Wanderung nicht so drängte, eine Stunde zusätzlich in Lochinver liess sich auch für die Gipfelbesteiger in spe noch einplanen. Wir fuhren deshalb zuerst alle einmal zum etwas trostlos wirkenden Hafen. Dieser war in Erwartung von wachsender Fischereiindustrie, vor der EU-Zeit, damals zu gross gebaut worden; der Fischfang hat sich inzwischen verlagert, und die Anlagen werden nur noch wenig genützt. Unser Busfahrer führte uns zu seiner am Hafen betriebenen Garage, welche sich jedoch eher als Schrottplatz für ausgediente Autos denn als Reparaturwerkstätte präsentierte. Gute Nachricht dann: die Bootsfahrt könne nun wahrscheinlich doch stattfinden, wir sollen uns auf 13 Uhr bei der Hafenmole bereit halten. | |
Neunzehn von uns entschieden sich nun für die Bootsfahrt, der Rest für die Bergwanderung, teilweise wohl auch aus Bedenken wegen möglicher Seekrankheit. Während die Wanderlustigen nun mit dem Bus zum Startort gefahren wurden (die bestiegen dann wegen Wind und noch hängenden Nebelfetzen dann doch nicht den Quinag, sondern bevorzugten dann die leichtere Wanderung zum Wasserfall) teilte sich unsere Gruppe der Seefahrer auch noch auf, denn es war inzwischen erst zehn Uhr: die eine Gruppe wählte eine kürzere Rundwanderung von Lochinver aus, die andere eine Besichtigung der Töpferei von Lochinver. Ich entschied mich für die Töpferei. | |
Die Besichtigung dieser Töpferei, einer recht grossen, erwies sich als wesentlich interessanter als von mir erwartet, da man den dort Beschäftigten bei der Arbeit über die Schulter zuschauen konnte. So konnte man Tricks mitbekommen und miterleben, wie aus einem Stück Ton Rohformen gepresst und von Hand weiter gestaltet wurden, oder auch wie die dann vorgebrannten Töpferprodukte von Hand mit grossem Geschick mit Landschafts- Tier- und Blumenmotiven bemalt wurden. Dabei muss bei der Farbwahl berücksichtigt werden, dass sich die Farben beim nachfolgenden zweiten Brennen stark verschieben, was eine gute Vorstellungskraft punkto primärer Farbgebung erfordert. Draussen neben dem Parkplatz war eine Ausstellung origineller grosser Skulpturen unter Mitverwendung von Porzellan- und Steingut-Abfällen zu bestaunen. | |
Nach gemütlichem Spaziergang, durch das Dorf zum Hafen zurück, gab es noch genügend Zeit für einen Drink im dortigen Pub, auch die anderen, von der Rundwanderung zurückkehrend, gesellten sich wieder zu uns. Pünktlich um ein Uhr warteten wir an der Quai-Mauer beim Schiff, das Wetter hatte sich weiter gebessert, jedoch von einem Kapitän war noch nichts zu sehen. Das dort verankerte Schiff, die ‘Statesman’, glich viel eher einem betagten Fischerboot, was es ursprünglich wohl auch einmal war, als einem Ausflugsschiff, und der Gerümpel darauf … na ja! Das Schiff bot etwa 30 Personen Platz und strahlte trotz all der Unzulänglichkeiten doch auch eine eigene Gemütlichkeit aus. | |
Es war gut halb zwei Uhr als der Kapitän schliesslich erschien, nicht etwa mit Kapitänsmütze, nein, es war ein gemütlicher älterer Herr, wohl pensioniert und breite etwas altmodische Hosenträger tragend und trotz der noch eher kühlen Temperatur auf einen Pullover oder Kittel verzichtend. Nachdem mit tatkräftiger Mithilfe unseres in mechanischen Dingen gut bewanderten Hans ein kleines Problem am Motor behoben worden war, Oel musste scheints umständlich nachgefüllt werden, konnte es schliesslich nach einer weiteren halben Stunde losgehen. Das Wetter hatte sich zwar stark gebessert und der Wind nachgelassen, aber wie aufgewühlt würde das offene Meer nach der stürmischen Nacht noch immer sein? Der Kapitän teilte uns vor dem Ablegen noch (zu unserer Beruhigung?) mit, dass er wieder umkehren werde, falls sich das offene Meer als zu stürmisch zeigen sollte; unser Buschauffeur wartete für diesen Fall in Lochinver noch auf Reserve. | |
Vorerst war es aber im sturmgeschützten Lochinver-Fjord noch ruhig, und wir genossen einen schönen letzten Blick auf den Ben Suilven. Nach etwa 25 Minuten Fahrt erreichten wir jedoch das offene Meer und unser Boot begann eine Weile lang lustig zu schaukeln. Wegen weiter abflauendem Wind beruhigte sich aber das Meer zusehends, wir bekamen immer mehr ruhige Fahrt. Der Leuchtturm von Stoer, Wanderung vom Vortag, kam in Sicht, und wir bewunderten die hohen Klippen diesmal vom Meer aus. Auch die Flugkünste der Küstenvögel vertrieb uns die Zeit. Bald passierten wir den “Old Man of Stoer” diese freistehende Klippensäule, ebenfalls von der Wanderung vom Vortag her uns bekannt. Nun war die Einfahrt in die anfangs noch breite Eddrachillis Bay erreicht. Immer noch lag aber ein gutes Wegstück vor uns, vorbei an malerischen kleinen Felseninseln und weiter in die Bay hinein. Wenn das Schiff nun manchmal schlingerte lag es daran, dass sich Hobbykapitäne aus unserem Kreis am Steuer versuchten: wegen unberechenbaren Strömungen in der Nähe der Inseln in der Bay war das Steuern gar nicht immer so leicht. Die Eddrachillis Bay ging nun allmählich in den malerischen und eng werdenden Loch a’ Chàirn Bhàin Fjord über, und in der Ferne erschien die elegante Kylesku Brücke, welche für die Küstenstrasse 894 nach Norden dient und eine ehemalige Fähre ersetzt. Bald nach Unterqueren dieser Brücke, der ursprüngliche Loch a’ Chàirn Bhàin Fjord teilt sich hier in den Loch Glendhu und in den Loch Glencoul auf, legten wir an der rechten Uferseite nahe beim kleinen Dorf Kylesku am ehemaligen Fährsteg an. Wir verabschiedeten uns von dem freundlichen Bootsmann mit einem guten Trinkgeld. Es war eine sehr schöne Fahrt gewesen! | |
Die Sonne schien nun warm, und das kleine Gasthaus mit Gartensitzplatz an der Anlegestelle lud zum Verweilen. Unser Bus war auch schon da, zusammen mit denjenigen von uns welche statt der Bootsfahrt die Wanderung gemacht hatten. Die Abgeschiedenheit und die Aussicht vom kleinen Gartenrestaurant aus in den einsamen Loch Glendhu und Loch Glencoul, bei einem kühlen schottischen Bier, war phantastisch. Nur ungern verabschiedeten wir uns von dem schönen ruhigen Flecken und bestiegen wieder den Bus. Auf kleiner Strasse fuhren wir zur Hauptstrasse 894 hinauf und dann über die hohe Kylesku Brücke, mit nochmals schönem Blick rechts in den in den Loch Glendhu und Loch Glencoul und links in den Loch a’ Chàirn Bhàin , Richtung Norden. Wir erfreuten uns an einer längeren Fahrt durch grossartige Fjord- See- und Berglandschaft. Dieses Gebiet ist auch als “geologischer Garten” ausgewiesen, der in diesen Gebieten auftretende mehrmals metamorphosierte Lewis Gneis z.B. zählt mit einem Alter von etwa drei Milliarden Jahren zu den ältesten Gesteinen Europas überhaupt! Wir erreichten schliesslich die Abzweigung von der Hauptstrasse aus nach Kinlochbervie, ebenfalls an einem Fjord gelegen, und legten kurz vor Kinlochbervie an erhöhter Aussichtsstelle noch einen Photohalt ein. Welch herrliche Landschaft bei diesem schönen Wetter! | |
Wir erreichten nun Kinlochbervie, ein etwas grösseres, aber für unsere Begriffe immer noch kleines, Dorf mit einem ebenfalls wenig genutzten Fischereihafen. Unser ‘Kinlochbervie Hotel’ lag sehr schön etwas erhöht mit Blick auf den neuen und dem kaum noch gebrauchten alten Hafen. Ein Paradoxon: die beiden kleinen Häfen liegen, durch eine schmale Landbrücke getrennt, zwar nur zwei bis dreihundert Meter auseinander, von dem einen in den anderen Hafen ist es jedoch zur See ein ziemlich weiter Weg, da eine grössere bergige Halbinsel umfahren werden müsste und die zwei Eingänge zu den beiden Häfen, je ein Fjordabschnitt welche sich bei Kinlochbervie nahezu treffen, recht weit voneinander entfernt liegen. Ein gutes Nachtessen im Kinlochbervie Hotel beschloss den schönen Tag. René | |
Freitag, 22 Mai, Eas a’Chual Aluinn WasserfallAm 7.Tag unserer Schottlandreise starten wir in Lochinver. Wir verabschieden uns von dem netten holländischen Ehepaar im B&B. Lochinver ist ein nettes Dorf direkt am Meer gelegen, mit relativ grossem Hafen. Unsere Gruppe hat erfahren, dass ein Schiff von Lochinver nach Kylesku fährt und die Fahrt gratis ist. Wau da ist die Begeisterung gross! Vorerst gibt es aber noch ein grosses Durcheinander weil niemand weiss wann das Schiff fährt. Einige verbringen die Wartezeit in der Potterie. Adrian wäre gerne mit der Schiffsgruppe gegangen. Sechs Teilnehmer wollen unbedingt wandern, somit leitet unser Capo die Wanderung. Ich bin ihm ewig dankbar dafür. Der Bus bringt uns durch eine grandiose Landschaft zum Ausgangspunkt. Die Strasse ist schmal und kurvenreich, sodass man nur langsam vorankommt. Es gibt aber viele Ausweichplätze. Wir fahren durch einsame Glens(Täler) vorbei an vielen Lochs und Bens. Heute besteigen wir keinen Ben. Dank den häufigen, orkanartigen Windböen liegt die Baumgrenze nur auf ca. 200m. Die Hügel sind bedeckt mit Heidekraut und Moorlandschaft. Das ist die Heimat der genügsamen Schafe. Diese Gegend ist sehr dünn besiedelt. |
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Nach dem Pass beim Loch Assynt verlassen wir um 10:30 Uhr den Bus. Einige Fischer stehen am See und warten auf ihr Glück. Querfeldein suchen wir den Weg. Diese Moore sind schön weich und doch anstrengend. Hüpfend wie junge Rehe bewegen wir uns vorwärts. Nach Querung von zwei Wildbächen erreichen wir einen gut begehbaren Weg. Adrian lässt einen wunderschönen Bergsee einfach links liegen. Das hat es noch nie gegeben!!!Ingrid und ich vertreten die Damen, Adrian, Albi, Jan und Hans-Peter die Herren. Niemand spricht ein Wort. Alle scheinen in Gedanken versunken zu sein. Ich geniesse diese Ruhe enorm und öffne meine Sinne. Dabei entdecke ich Veilchen und Orchideen, lausche dem Plätschern des Baches und dem Zwitschern der Vögel. Frösche hüpfen erschrocken in Sicherheit. Diese unverfälschte Natur und diese Stille hat einen bleibenden Eindruck auf mich gemacht.Der Woodsche Düsenjäger hat uns ermüdet und wir machen Mittagsrat. | |
Nach dem kleinen Pass geht es abwärts bis zu einem Flüsschen, der später den Wasserfall bildet. Links des Flusses steigen wir ab, durch furchtbar nasse Moore und balancieren über Pfützen und Löcher. Bis am Ende des Tages nahmen unsere Bewegungen einen Zirkusreifen Charakter an. Adrian will unbedingt zum “Fettgedruckten” Wasserfall. Nochmals einen tosenden Bach überqueren und wir haben es geschafft. Da stehe ich nun am höchsten Wasserfall der britischen Inseln (200m) und kann nicht einmal seinen Namen aussprechen -Eas a`Chual Aluinn. | |
Wir machen nochmals Rast. Der Himmel verdunkelt sich und es beginnt zu regnen, –jammerschade. Der Regen dauert nicht lange. Auf der anderen Seite des Flusses treten wir den Rückweg an. Diesmal geht es aufwärts und unsere Schuhe waten erneut durch den “Pflotsch”.Um 17:00 Uhr erreichen wir die Strasse. Schon nach wenigen Minuten holt uns der Bus ab. Das nennt man Timing.In Kylesku holen wir unsere Freunde ab und fahren gemeinsam nach Kinlochbervie.Adrian möchte ich danken für die gute Organisation und die enorme Geduld. Du hast uns das Naturparadies Schottlands gezeigt.
Margrit |