05-05 Barlovento

5.Mai, Transfer von Todoque nach Barlovento

Heute ist der etwas befürchtete Tag, an welchem wir den warmen Südwesten der Insel verlassen, um zum – wie behauptet wurde – wesentlich kühleren Norden zu fahren. Eigentlich herrscht heute ein ruhiges Aufwachen, ohne die übliche Hast der frühen Wanderer. Ich frage mich, ob Adrian die Reste von gestern abend (Reis mit Crevetten und Fisch) zum Frühstück eingenommen hat, wie er es uns am Vorabend zusicherte. Dies werde ich nie wirklich erfahren.

Um 09:00 treffen wir den Bus, der inzwischen eine Kurve näher an unsere Bungalows herangekommen ist. Dabei spielt es heute nicht so eine grosse Rolle, weil die schweren Koffer im Auto von Adrian transportiert werden. Heute fährt uns der übliche Fernando, nicht Pedro. Mit ein bisschen Wehmut verlassen wir diese schöne Gegend unter den Bananenplantagen. Der Bus fährt dann durch das von uns gut bekannte Los Llanos, Tazacorte und beginnt an den gewaltigen Wänden des Lavaabflusses aus der Caldera de Taburiente mühsam hochzuklettern.

Für alle Kollegen und Kolleginnen ist dies zur Routine geworden. Für mich, der zum ersten Mal zuerst die Südflanke des Barranco de las Angustias bis zum Mittelpunkt und anschliessend die Nordflanke durch die direkt in den Stein gehauene Strasse im Bus fahrend empor klettert, hinterlässt dieser Aufstieg einen mächtigen Eindruck. Am oberen Punkt fahren wir durch den Mirador El Time. Hier ist heute nur ein Restaurant mit guter Aussicht.

Vor sechs Jahrhunderten war dies ein wichtiger Beobachtungspunkt mit Direktaussicht auf den Strand von Tazacorte. Und genau dort wurden sie gesichtet, die Spanier, die im September 1492 aus drei Caravellen mit nicht weniger als 900 Soldaten auf dem schwarzen Lavastrand landeten. Sie stellten sofort ein Lager auf, um zu vermeiden, dass sie das gleiche Los wie 40 Jahre zuvor ereilte und mit grossem Verlust flüchten musten.

Von dort gingen sie zum Dorf Tazacorte, wo sie einer der 12 Stammeschefs der Insel “Benhoare“ (wie sie damals hiess) empfing und nach einer diskreten Drohung vom Chef de Luso einverstanden war – nach einer Bedenkzeit von einer Stunde – einen Vertrag zu unterschreiben, dem er wenig Wert beimass, weil ihmder Zusammenhang entging. Dies war wohl der Anfang vom Ende.Wenige Wochen danach ging die ganze „Armee“ Richtung Süden nach Fuencaliente, von dort zu den „Wüstenbergen“ im Südosten. Dank der besseren Waffen der Spanier hatten die verschiedenen Stämme der Insel keine Chance. Die Eroberer richteten ein schreckliches Blutbad mit 2000 Toten an.

Am 3. Mai 1493 trafen sie auf den frisch ernannten König Tunausu von Benhoare. Der Commandante de Luso lockte ihn mit einem vorgetäuschten Verhandlungsangebot aus der Caldera, das sein gut behütetes Reich bildete, tötete seine Truppe, nahm ihn gefangen, um ihn dem König in Spanien als Kriegsbeute zu präsentieren. Die Rechnung ging aber nicht auf: Tunausu weigerte sich irgendwelche Nahrung und Wasser einzunehmen, spuckte sie immer wieder aus und starb auf der Schiffsüberfahrt.

Wir fahren durch tiefe Schluchten, von einem Barranco zum nächsten mit einigen Höhlen und einer grossen Menge Pflanzen in allerlei Variationen. Man spürt schon wie viel reicher und verschiedenartig dieser Teil der Insel ist. Hier herrscht nicht die Monokultur des Südens mit den Bananenplantagen. Hier gibt es mächtige wohlriechende Kiefern und kleine Kulturen rings um die kleinen Häuser der Bewohner. Es sind viele Pfade zu sehen, die zu weit entfernten auf luftigen Höhen liegenden Häusern führen. Um 11:15 kommen wir schon in Las Tricias an, einem kleinen Ort, welcher der ganzen Mannschaft von einem früheren Ausflug her bekannt ist.

Fernando ist von Adrian zum Essen eingeladen worden, was er schätzt. Er ernährt sich allein an der Bar. Wir alle dagegen haben die gedeckte Terrasse belegt und essen eifrig die nacheinander Eintreffenden Tapas: papas arrugadas natürlich, Reis, etwas Schwein, etwas Fisch. Es gibt ein reges Hin- und herstreifen von einem Ende zum nächsten. Dies erlaubt uns zu erfahren, dass der grosse Torero José Mata hier im Haus hinter unserem Bus am 23. Juli 1937 geboren wurde und leider 1975 durch ein gut plaziertes Horn getötet wurde. Er war nicht nur Torero sondern auch Akteur in zahlreichen Filmen.

Neuer Halt in Santo Domingo, Hauptstadt des alten Stammes Garafìa bietet neben zwei „Beizen“ eine interessante Kirche mit doppeltem Schiff und arabisch anmutendem hölzernen Deckengewölbe und Gebälkverzierungen sowie ein interessantes ethnologisches Museum, in welchem das Leben vor hundert Jahren illustriert wird, als noch von der ganzen Bevölkerung Strassen in einer Art Fronarbeit gebaut werden mussten.

Ohne weitere grosse, nennenswerte Dörfer fahren wir durch kleine Weiler immer getrennt durch riesige Barrancos – Franceses, Gallegos – Ziele des morgigen Ausflugs und kommen endlich an unseren heiss begehrten Drachenbäumen, die man nur in der Distanz an Barrancos hängend sehen kann. Jetzt steht das Hotel „La Romantica“ endlich vor unseren Augen nachder langen Fahrt, während welcher mancher ein bis zwei Augen zudrückte. Grosse Freude bei all unsern Teilnehmern. Das Hotel ist sehr schön, mit Innen- und Aussenschwimmbädern, Fitnesseinrichtungen und einer Masseuse.

Schnell hat sich eine Gruppe in ein Taxi gesetzt und fährt ca. 700 m tiefer zum Strand, das heisst zu den vulkanischen Schwimmbädern, da kein echter Strand vorhanden ist. Die anderen geniessen die grossen Räume und breiten sich darin aus. Man muss sich sogar an etwas wärmere Temperaturen gewöhnen; manche werden mit offenen Fenstern, andere vorerst mit total geschlossenen schlafen, bis jeder den eigenenRhythmus gefunden hat.

Das Abendessen gibt es dieses Mal im Hotel, eine gute Abwechslung zu unseren Bungalow-Improvisationen bzw. unseren nächtlichen Ausflügen zu verschiedenen Restaurants. Als Vorspeise entweder Kanarische Suppe mit Gemüsen und Schweinspeck oder Pilze mit Käse. Als Hauptgericht entweder Spaghetti a la Carlovento oder Fleisch mit Reis. Als Nachspeise ein „Bien me sabe“, eine Art Konfitüre aus Mandeln oder ein Mandeleis. Alles wurde sehr geschätzt und nur gut darüber gesprochen.

Diverse Pläne für den nächsten Tag werden besprochen, aber bald beherrscht der Schlaf die Stimmung im ganzen Haus.

Daniel

Hiking in Switzerland and around the world