05-08 Los Muchachos

8.Mai, Roque de los Muchachos-Pico de la Cruz-Pico Llano-Pico de la Nieve

Es scheint wieder einen weiteren Super-Tag zu geben. Sonntag, die Sonne scheint schon beim Aufstehen, ich habe wunderbar geschlafen und die Wanderung wird vermutlich auch eine ganz tolle Angelegenheit. Mit dem Bus auf 2600 m hinauf und dann dem Kraterrand, der Caldera, entlang wandern mit sensationellen Ausblicken in die Tiefe, vorbei an den Teleskopen aller grösseren Universitäten Europas. Und das alles mit nur 100 m Auf- und 400 m Abstieg hat uns Adrian im Programm versprochen. Ich fühle mich als Sonntagskind.

Auch das z’Morge Buffet ist wie immer eine Sensation. Ich geniesse den Ananas-Jus, drücke mich an den Spiegelei-Bratern vorbei, fülle mein Schüsseli mit 4 verschiedenen Flakes, lade einen grossen Löffel Joghurt auf die Flocken, streue darüber Zucker und eine Menge geriebene Haselnuss – danach sieht es jedenfalls aus – aber … uhhh??? Haselnuss??? Hmh??? Schmeckt wie Mehl! Uuuhh! Aber schon meine Grossmutter hat gesagt: “Was man auf dem Teller hat, wird aufgegessen!” (Später hat mir dann Sigmund erklärt, dass meine vermeintliche Haselnuss “Gofio” war, geröstetes Mehl, das eine Inselspezialität sei. Na, ja.).

Pünktlich, wie immer, versammeln wir uns am Parkplatz, der Bus steht auch schon da – heute mit einem anderen Chauffeur, nicht mit unserem üblichen “Strahlemann” – und ab geht es. Zuerst auf der Hauptstrasse Richtung Westen, dann, dem Schild “Centro Astrofisico” folgend, hinauf zum Rand der “Caldera de Taburiente”. Eine fast unendliche Zahl von steilen Kurven nimmt unser Bus im dichten Wald, bis wir bei 2000 m die Baumgrenze erreicht haben, und nun, vorbei an den Wohngebäuden der Sterngucker und amHeliport die ersten silbrig und weiss glänzenden Observatorien schimmern sehen.Schon vom Parkplatz (auf 2400 m!) – wo die Frau am Info-Kiosk uns partout als “Naturtrekking.de” registrieren will – ist die Aussicht toll, aber Adrian schlägt eine “Adriante” vor. Wir machen einen Abstecher hinunter zum “Espigon del Roque”, von wo aus der Blick in die senkrechten Felswände (mit letzten Schneeresten) und in die Tiefe der Caldera eine Sensation ist. Der “Bejenado” – unser erster Gipfel auf La Palma – liegt vis-a-vis, das Bächlein im Grunde des Kessels, – wo sich einige von uns nasse Füsse geholt hatten – glänzt silbrig, der “Roque Idafe” ist auch zu erkennen – es ist wunderschön.

Zurück zur Hauptroute keuche ich die gleichen 100 Höhenmeter (=Hm) hinauf, die ich vorhin so leichtfüssig hinuntergestiegen bin. Das sind offenbar die 100 Hm Aufstieg, die Adrian in der Ausschreibung vermerkt hatte. Von jetzt an geht es sicher immer nur horizontal weiter.

Wieder auf der Hauptroute, Richtung Osten, kommen wir an mehreren Teleskopen vorbei. Doch merkwürdig, kein Mensch, keine Aktivität ist zu sehen. Entweder weil Sonntag ist, oder Muttertag oder weil die Sterngucker halt nachtaktive Lebewesen sind. Aber geforscht wird sicher. Das zeigt sich, wenn man im Internet die Themen der verschiedenen Forschergruppen liest. (Einstiegsseite: http://www.iac.es/gabinete/orm/indice.html). Das geht von “Structure of the Universe and Cosmology” bis “Astrophysics from Space”. Wirklich beeindruckend!Beeindruckend ist auch die Landschaft um uns, die Aussicht nach rechts und links, die Blumen, die skurrilen Lavaformen. So fotografiert Vreni z.B. einen Elefantenkopf und die “Pared de Roberto”, “eine durch Erosion entstandene Mauer aus hartem Basalt” die von Mechthild, unserer Geologin, sofort als “mittelalterliche Meridianmauer ” identifiziert wird. Es ist super, was man alles bei unseren Wanderungen lernen kann. Um die Mauer ranken sich einige lokale Legenden. Roberto ist ein Synonym der Palmerosfür den Teufel, nur er kann die Mauer, die offenbar nicht von Menschenhand geschaffen wurde, errichtet haben. (http://www. Lapalmaturismo.com – Deutsch – Kultur – Legende)

Dann zeigt sich wieder was ich aber unbedingt noch etwas lernen müsste, nämlich Spanisch. Der nächste Aussichtspunkt, kurz nach “Roberto” heisst “Degollada de Franceses”. “Franceses” ist klar. Das sind die Franzosen. Aber “Degollada”? Im Dicc finde ich “Enthauptung”, aber auch “Ausschnitt” – also “Decolleté”. Hm? Was nun?

Zum “Pico de la Cruz” geht es ziemlich hinauf. Fast 100 Hm!! Wieso hinauf? Na ja, vielleicht hat Adrian diese 100 Hm gemeint. Wahrscheinlich, weil es ja gleich darauf wieder hinuntergeht. Und wieder hinauf zur “Piedra Llana”. Aber nur 40 Hm. Ein Klacks. Der nächste Aufstieg führt uns auf den “Pico de la Nieve”. Hier pfeift der Wind jetzt richtig kalt, es ist idyllisch. Also der ideale Ort um eine Verpflegungsrast zu machen.

Auch die Aussicht ist prächtig. Wir sehen zwar weder Tenerifa noch den “Teide”, die sind imDunst versteckt, aber auf die Ostküste hinunter sehen wir, auf “Sta. Cruz de la Palma”, auf die “Caldereta”, die einen Teil der Stadt wie eine Muschel einhüllt und auf die Landepiste wo wir vor… mein Gott, es sind schon 10 Tage vergangen, dass wir dort gelandet sind … aber die Zeit vergeht so schnell, jeder Tag hat Neues, Interessantes und Schönes gebracht.

Adrian hat es schon wirklich gut geplant. Das muss ich auch mal sagen und nicht nur immer wieder die “100 m Aufstieg” von heute erwähnen.Apropos Adrian: Er schlägt vor, weil jetzt der Abstieg zum wartenden Bus beginnt, noch einen kleinen Abstecher zur “Erita Tagador” zu machen, so eine weitere Adriante also. Brigitte, Marianne, Mechthild, Rosmarie, Vreni, Adrian und ich interessieren uns dafür, die anderen zieht es zum Bus.

“Erita Tagador” ist ein alter Versammlungsort der Ureinwohner la Palmas. Man sagt, dass an all diesen Orten Kräfte wirken, die zwar physikalisch nicht messbar, aber durch ihre Wirkung auf den Menschen nachweisbar seien. Und wirklich – wohl weil wir anfangs noch skeptisch sind, verweigern uns die Kräfte den Zutritt zum Ort, sie drängen uns weg. Wir nehmen einen falschen Weg. Doch als wir das realisieren und bereit sind die Magie des Ortes anzuerkennen, nimmt er uns bei sich auf.

Der Platz sieht eigentlich ganz normal aus. Ein paar grosse Felsbrocken mit eingeritzten Spiralen (vor den heutzutage besuchenden Vandalen geschützt durch massive Eisengitter), ein paar Steine in der Mitte des freien Platzes. Sie sind zwar im Kreis angeordnet – aber sonst nicht speziell bemerkenswert. Doch dann passiert es! Magisch angezogen sammeln sich unsere Damen um die Steine, formen einen Kreis und beginnen uralte Beschwörungen zu summen. Es ist schaurig anzuhören und dann – oh Graus – muss ich mit ansehen, wie Adrian, der abseits fotografierte, angesaugt wird durch den Hexenkreis, in deren Mitte tritt und die geballten Kräfte wehrlos in sich einströmen lassen muss. Es ist schrecklich!

Kurze Zeit nur geht es, dann verstummen die Gesänge, die Magierinnen verwandeln sich wieder in Sportclub- WandererInnen und wir folgen Adrian der uns durch den Kiefernwald hinunter zum Bus führt. Der Spuk ist vorbei. Und nur wenn man ganz genau hinsieht, dann sieht man wie einige Äste der Baumwipfel die Form von Frauenköpfen haben.

Der Bus wartet am Parkplatz auf uns, wir steigen ein und fahren – wieder unendlich viele Kurven – bergab bis zum Hotel.

Das war’s. Ein wunderschöner Tag mit mystischem Ausklang. Dankeschön Adrian.

P.S.: Hanspeter, der immer sorgfältig unsere Wanderungen mit seinem GPS aufzeichnete, hat mir verraten, dass wir total 650 m Aufstieg und 1150 m Abstieg machten. (Das war aber die allerletzte Erwähnung der “100 Hm”- ich verspreche es.)

Bert

Hiking in Switzerland and around the world