Samstag, 2. August 2014, Brontallo
Als auswärtige Gäste, untergebracht in der Gruppenunterkunft des Gemeindehauses von Fusio, erscheinen wir zur vereinbarten Zeit um 07.30 Uhr in der Osteria Dazio zum Morgenessen. Die Wirtin hat bis in die frühen Morgenstunden mit den Gästen die 1. August-Feier genossen und vor lauter Musikgenuss und „Löffeln“ als Begleitung offensichtlich vergessen, das Brot rechtzeitig aus dem Tiefkühler zu nehmen. Leider zeigten die aktivierten Mikrowellen nur geringe Wirkung, weshalb die Brotschnitten im Kern noch festgefroren bleiben, was eine gewisse Reizung und Unmut bei uns essfreudigen Wanderern auszulösen vermag. Durch einen unentbehrlichen Hausschlüssel wird selbst der Schreiber In Fusio noch total konfusio, als dieser doch schliesslich in seiner Brusttasche noch zum Vorschein kommt, obwohl er und sein Tischnachbar hundertfünfzig Prozent überzeugt waren, dass ihn bereits einer der Mitschläfer zur Rückkehr ins Haus bei ihm verlangt hatte!
Dessen ungeachtet schaffen wir alle noch rechtzeitig den Zustieg ins Postauto, welches uns um 09.05 Uhr talabwärts in unzähligen, steilen und engen Kurven nach Brontallo führen wird, um die Gruppe vor Regenschauern zu schonen, was uns Adrian nicht zumuten möchte. Doch in Peccia drücken 2 Unentwegte den Halteknopf und wünschen dem Rest der Gruppe eine gute Weiterfahrt. Regina und der Schreiber lassen es sich nicht nehmen, bereits am 2. Tag erneut das vorgesehene Wanderprogramm ausser Kraft zu setzen. So wandern sie frischfröhlich – allen Regentropfen zum Trotz – in ihren Pelerinen
auf angenehmen Wegen via Sornico, Prato, Broglio in gut zwei Stunden bis Monzonico, wo sie durchnässt sich endlich eine wohlverdiente Trinkpause auf einer möglichst noch trockenen Bank gönnen möchten. Zufällig treffen sie dort auf einen Grossteil der Basler Touristen, welche sich um 10.30 Uhr von Brontallo aus via Verda, Menzonico auf eine Rundwanderung aufgemacht hatten, um doch noch etwas Bewegung vor dem Mittagessen zu erreichen.
Um 12.30 Uhr dürfen wir uns eine kräftige Minestronesuppe genehmigen. Darauf werden aus der Küche frisch zubereitete Pizzoccheri serviert und wer dann noch Lust hat, geniesst zusätzlich noch eine Torta del pane, welche der Chef höchstpersönlich für uns frisch gebacken hatte. Um 14 Uhr treffen wir uns einen Stock höher zu einer PowerPoint-Präsentation, welche uns Frau Esther Anzini anbietet, die als Mitarbeiterin des Vereins Pro Brontallo tätig ist. Sie schildert uns ausführlich die verschiedenen Projekte wie z.B. die Auffrischung der alten Kastanienhaine durch Neupflanzungen sowie den längst fälligen Rückschnitt alter Bäume, den wieder belebten Rebberg, den neu erstellten, grossen Bauernhof für die Viehhaltung als Ersatz der nicht mehr zugelassenen, alten Kuhställe, den Agrotourismus in privaten Unterkünften, den Wiederaufbau der alten Kastanienmühle, die Sanierung der Kastanien-Trocknungshäuser sowie den Verkaufsladen mit einheimischen Produkten. Wir staunen alle über den unbändigen Überlebenswillen dieses kleinen Dorfes mit seinen 55 Einwohnern, wovon 14 Kinder, und vernehmen aus der Beantwortung zusätzlicher Fragen noch Einiges mehr von diesem Dorf und Tal.
Wer nicht vorher die Gelegenheit zu einem Dorfrundgang nutzte, kann anschliessend die gut gekennzeichneten und beschriebenen Objekte wie Waschhaus, ältestes Haus im Dorf usw. näher betrachten. Die gemeinsame Wanderung nach Carvegno startet um 15.30 Uhr mit 13 Personen. Weitere 7 Teilnehmer haben sich bereits auf eigene Faust vorher auf den Talabstieg aufgemacht. Durch die Regenfälle sind die Bäche derart angeschwollen, dass die Überquerung ziemlich heikel wird durch die bereits unter Wasser liegenden Trittsteine. Vor Erreichen der Ostella della Curva in Carvegno öffnet Petrus nochmals den Duschhahn, sodass wir im Eilschritt durch das Dörfchen hetzen.
Das Massenlager ist schnell besetzt und die durchnässten Kleider, Windjacken und Pelerinen hängen mangels Aufhängeeinrichtung an allen unmöglichen Orten. Um 19 Uhr erreicht uns via Warenlift im Essraum eine herrlich duftende Lasagne, begleitet mit grünem Salat, welche im Nu ihre Abnehmer findet. Als Krönung des Tages folgt zur Gaumenfreude mancher Kehle noch ein Tiramisu der Hausverwalterin. Eine halbe Stunde vor der Nachtruhe treffen sich 8 verantwortungsvolle Frauen und Mannen – einer von ihnen bereits im leichten Sommerpyjama gekleidet, was ein verhaltenes Kichern auszulösen vermag – vor 2 unbändigen Kaffeemaschinen und machen sich fieberhaft Gedanken über den morgigen Einsatz für einen kräftig mundenden Kaffee. Trotz allen Bemühungen verläuft der Testlauf leider negativ. Das Rätsel löst sich von alleine am nächsten Morgen durch eine genügende Wassermenge im Behälter, welche dann endlich auch das orange Lämpchen erleuchten lässt, das seinen Dienst am Vorabend vollends versagt hatte. Was die vergangene Nacht anbelangt ist allerdings zu bedauern, dass uns die Verwalterin leider erst am nächsten Morgen auf die Möglichkeit der Verwendung einer zweiten Matratze aufmerksam machte. Nach dem Einschlafen folgten vielleicht 3 Stunden Tiefschlaf, worauf unter der zu dünnen Matratze das harte Brett echte Hüftschmerzen bei uns auslöste und jedes verzweifelte Wechseln auf die andere Seite ein unüberhörbares Ächzen des Bettgestells auszulösen vermochte. Ja, ja, ich sollte es eigentlich wissen: solche Begebenheiten gehören zu günstig angebotenen Wandertagen in Gottes freier Natur und sie werden gottlob vereint mit gemeinsamen Kräften solidarisch getragen!
Peter Stalder